Die Vorzeichen sind da. Dieses Jahr gibt es einen Erntesegen bei sämtlichen Pflanzen, die vorzugsweise hilfreich gegen Krankheiten helfen, die bei langen Wintern auftreten. Der Alant und die Goldrute blühten überreich. Die weißen und gelben Königskerzen blühen in diesem Jahr immer noch in meinem Garten (!) und auch das Johanniskraut und der Thymian ließen sich nicht lumpen und gaben ihr Bestes.
Nun also auch die Beeren. Sonst sitzen die Amseln und die Stare auf den Sträuchern, picken die reifen Holunderbeeren aus den Dolden. Bis ich abernte, ist die Dolde halb abgefressen. Dieses Jahr fand ich Sträucher, bei denen die vollen Dolden überreif hingen und dadurch sehr saftreich waren. Ebereschen in Massen, Schlehdorn übervoll und die vitaminreichen Hagebutten locken in eindringlichster Weise mit ihren wunderschön glänzenden Früchten. Es könnte also ein strenger Winter bei uns auftreten, wenn der alte Volksglaube zutrifft.
Ich konnte nicht widerstehen und sammelte Hagebutzen. Da war sie wieder, die eindringlich mahnende Stimme: "Das muss auch geputzt werden! Weißt du, wie viel Zeit das kostet?" Die kleine Stimme wurde ganz schnell verbannt in die hinterste Ecke des Hirns und bekam Redeverbot. Schaut mal, das war meine Ernte:
Ist diese Pracht nicht toll? Man sieht verschiedene Früchte. Die schwarzen sind Bibernellrosen. Ich habe sie hier nur mal mit dazu gelegt. Zum Verarbeiten waren sie nicht mehr geeignet.
Die großen nennt man Kartoffelrosen. Sie sind zum Verarbeiten gut geeignet. Man hat mehr sämiges Fruchtfleisch, allerdings ist der Geschmack auch milder.
Sehr haarig sind innen die Weinrosen (links unten). Die Butten meiner Weinrose (als solche habe ich sie gekauft, aber ich finde, ihre Früchte sehen anders aus, als bei den Weinrosen, die ich im I-net finde) rochen fantastisch nach grünen Äpfeln mit einem leicht zitronigen Hauch. Bei ihnen ist fast kein Fruchtfleisch zwischen Haut und Kernen vorhanden, doch an Geschmack sind sie kaum zu überbieten. Die Hundsrose dagegen hatte diesen typischen Hiffengeruch (rechts Mitte) an sich. Meiner Meinung nach ist es von Vorteil, nicht nur eine Sorte zu verwenden. Irgendwie schmeckt es vollmundiger.
Auf meiner Gassirunde fand ich noch putzige Minis und kugelrunde Exemplare. Es gibt eine große Menge an vielfältigen Formen und Farben. Kein Wunder, dass kreative Menschen gerne mit Hagebutten Dekoratives gestalten.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Hiffenmark herzustellen. Kaltverfahren oder Heißverfahren, mit Honig oder Zucker, mit Äpfel oder anderen Früchten und Gewürzen verfeinert. Aber auch die Verarbeitung lässt verschiedene Möglichkeiten offen. Viele bevorzugen folgende Methode:
Hagebutten nach der Ernte waschen, die Blüte und den Stielansatz entfernen, mit Wasser bedecken und einen Tag ziehen lassen. Danach werden sie gekocht, bis die Früchte sehr weich geworden sind, was unterschiedliche Kochzeiten hervorrufen kann. Die Früchte werden püriert und hinterher durch die Flotte Lotte gedreht. Zur Not siebt man noch ein zweites Mal den Brei, um verbliebene Haare zu entfernen. Andere kochen auch sofort ihre Marmelade daraus.
Ich bevorzuge die alte Methode und schneide die Früchte einzeln auseinander und entkerne sie. Warum? Ich habe feststellen müssen, dass (vor allem bei den dicken Kartoffelrosen) sich gerne Maden einnisten. Diese leben vom Fruchtfleisch und sind von außen nicht immer erkennbar. Man kann beim Putzen die Fraßgänge ausschneiden oder die Frucht bei starken Befall wegwerfen. Dies ist von Vorteil, denn der Geschmack des angefressenen Fruchtfleisches ändert sich ähnlich wie beim Apfel, wird bröselig und bitterfade.
Noch einen Vorteil hat diese Art der Verarbeitung. Aus den Hagebuttenkernen kann man einen wunderbaren Tee herstellen. Der Kernlestee regt den Stoffwechsel an, entwässert dadurch den Körper, was sich positiv auf Blase und Niere auswirkt. Wer den Geschmack von Hagebuttentee nicht so mag (oft ist Hibiskus beigemischt, was Auswirkung auf Farbe und Geschmack hat), mag vielleicht lieber das leichte Vanillearoma der kleinen Nüsschen. Dazu gibt es aber mal einen Extrapost. Momentan liegen ca. 500 g Kerne auf dem Backblech und trocknen.
Diese wunderschöne Farbe! Ist es nicht ein herrliches Rotgold? Ich beendete das Entkernen, als ich zwei Kilo Fruchtfleisch im Topf hatte. Die restlichen Hagebutten werden für Tee getrocknet. Die kleine, mahnende Stimme grinste schadenfroh über die vielen Stunden hinweg, in denen ich schnitt, puhlte, kratzte und der Berg einfach nicht kleiner wurde. Sie schlug Purzelbäume der Begeisterung und hüpfte auf und ab. Süffisant säuselnd drängelte sie sich wieder in den Vordergrund:
"Na, hab ich`s dir nicht gesagt? Sklavenarbeit! Schinderei! Wer macht das freiwillig? Hast du nicht das dringende Bedürfnis, deinen Schädel in der typischen "Spechtbewegung" gegen die Wand zu hämmern?" Hatte ich! Und in dieser Nacht zählte ich im Bett mit Sicherheit keine Schäfchen, die über einen Zaun sprangen, sondern träumte von "Hetschepetschen", die von alleine entzwei sprangen und sich säuberlichst auf die verschiedenen Schüsseln (Kerne, Abfall, Fruchtfleisch) verteilten.
Abfall hatte ich natürlich eine ganze Schüssel voll. Letztendlich waren es vom Gewicht her nur 800g. Dieser Abfall bestand aus Stielen, Blüte (schwarzes Käppelein) und ausgemusterten Hiffen.
Um zum kostbaren Mark zu kommen, muss man nun die Früchte pürieren. Dies gelingt besser, wenn man ein wenig Wasser hinzu gibt.
Die Masse war dadurch bei mir schon sehr musig und deshalb kam die erste Ladung durch die Flotte Lotte. Damit zerstöre ich auch nicht zuviel vom Vitamin C und den anderen kostbaren Inhaltsstoffen.
Den übrig gebliebenen Hetscherlrest verdünnte ich wieder, stellte ihn auf den Ofen und kochte darin eine Vanilleschote aus. Das ist Geschmackssache, bei der Menge an Mus fällt eine Stange kaum ins Gewicht, doch rundet sie es geschmacklich ab. Der Hagebuttenbrei wurde nochmals püriert. Damit ich die größtmögliche Ausbeute an Mus bekam, schüttete ich immer wieder mal einen Schuss O-saft mit in die Lotte.
Am Schluss hatte ich 2,7 kg cremiges Mus im Topf. Die Farbe allein macht gute Laune! Interessant war das Aroma. "Irgendwie im Nachgeschmack "apfelig"", so die Meinung der Kinder. Doch es war ja auch noch kein Zucker im Mus.
Bei der Menge an Mus, verwendete ich Gelierzucker. Einen Pack 3:1 und einen Pack 1:1. Dadurch lag ich etwas unter den Mengenangaben, doch Hiffenmark soll keine schneidbare Marmelade sein, sondern eine cremige Konsistenz behalten, damit man z.B. Faschingskrapfen damit füllen, oder in der Weihnachtsbäckerei, Plätzchen besser damit bestreichen kann.
Den entstandenen Schaum beim Kochen schöpfte ich ab. Meine Naschkatzen im Haus hatten die Schüssel bald entdeckt und das erste Brot mit Hagebuttenmarmelade schmeckte uns allen einfach fantastisch. Nun schmeckte es so, wie es sein sollte. Cremig, vollmundig - mit dem Geschmack vollreifer Hagebutten,
Neun fertige Gläser, ein halbes Glas und die Schüssel mit dem abgeschöpften Schaum waren das Ergebnis. Ich denke, es hat sich wirklich gelohnt.
Die kleine Stimme sitzt nun versonnen in einer Ecke im Hirnkästla.
"So viel Arbeit!"
"Schmeckt aber köstlich und sieht toll aus, oder?"
"Ja, aber die viele Zeit die darin steckt!"
"Stimmt, du darfst mich auch gerne das nächste Mal wieder daran erinnern, aber jetzt freue ich mich und das alleine zählt! Soll ich dir was verraten? Ich kenne da ein paar Schlehensträucher..."
"..."