Dienstag, 11. August 2015

Dem Buckelapotheker auf der Spur - Herschdorf, Stempelstelle 19 (Teil 1)


Blick vom Aussichtsplatz  "Rinnetalblick".
Verborgene "Schmuckstückchen" sind im Thüringer Kräutergarten versteckt


Eine noch relativ unbekannte, aber "Gott sei Dank" entdeckte Kostbarkeit und den Geheimtipp schlechthin, fand ich hier.  Doch eines nach dem anderen in den nächsten zwei Posts.

Als Gutkauf öffentlich beworben, als Nahkauf Möller
(ehemals Markert) bezeichnet, von der Brauereiruine kommend,
auf der rechten Seite schon zu sehen

Mein Startpunkt für die Wanderung sollte Herrschdorf (Stempelstelle 19) sein. Schließlich kann man einen Rundwanderweg an beliebiger Stelle beginnen. Die Kinder durften in diesen Tagen reiten, mein Mann freute sich auf eine ruhige Zeit. Er wollte mich "rausschmeißen" und während ich mit Poldi lief, sich seinen Büchern widmen.

Die "Stempelstelle 19" sollte im Nahkauf Markert sein. 
Geschwister-Scholl-Straße 37B
98701 Herschdorf/ Thür.
Tel.: 036738/42560
630 m ü NN

Im Ort und vor dem Geschäft steht ein Werbeschild mit Namen Gutkauf. Der Laden wird aber im Internet noch als Nahkauf bezeichnet. Allerdings Nahkauf Möller und nicht Markert. Da es der einzige Einkaufsmarkt ist, findet man ihn im Ort mit Sicherheit.

Auf dem Weg dorthin, Zwischenstation auf dem Aussichtsplatz "Rinnetalblick". Bei Herschdorf entspringt der Rinnebach. Dieses hübsche Tal wird mich also bis nach Königsee begleiten. Die Aussicht ist prima, auch wenn es eher trübes, kaltes Wetter ist. Frohgemut geht es ins Dorf hinein. Dort sieht man eine Kirche mit einem außergewöhnlichen Rundturm, dessen ursprüngliche Bedeutung vermutlich ein Wartturm oder Zollturm war. So einen Rundturm sieht man nur sehr selten und ist im ganzen Ilmkreis einmalig.



Eine nette, ältere Frau kam gerade - schwer bepackt mit Einkaufstüten - vorbei. Auf meiner Nachfrage hin, ob man diese Kirche auch von innen anschauen könne, verwies sie mich auf einen Herrn, der gerade mit der Sense die hochgewachsene, bunte Blumenwiese vor der Kirche abmähte. Etwas verwundert wurde ich gemustert, doch erfreut über das Interesse an dem Schmuckstück des Dorfes, wurde sogleich der Kirchenschlüssel geholt.

Die alte Wehrkirche „Zum Lamme Gottes“ in Herschdorf am Langen Berg wurde von 1687-1691 erbaut. Die Vorgängerkirche, war zu klein und zu baufällig für die gesamte Kirchengemeinde geworden. Zu dieser Zeit gab es noch eine Kapellenruine (St. Marien - die weiße Kirche), deren Steine verwendete man kurzerhand einfach mit für den Neubau. Scheinbar musste man sparen, denn Pfarrer Jakob Günther Werner (Bauinitiator) schrieb darüber, dass ein runder Turm billiger und zudem dem rauen Klima angepasster wäre als ein eckiger.

Später (Anfang des 19. Jh) erneuerte man den oberen Teil des Turmes. Leider kam es am 18. Oktober 1990 zu einem Brand und die Turmhaube sowie das Tragwerk mussten erneut repariert werden. Das Glockengeläut, wird übrigens immer noch von Hand zum Klingen gebracht.

Inschrift von 1925:
In harter Zeit nach Krieges Morden
bin ich aus Erz zu Stahl geworden

Das Kirchengebäude ist weitgehend original erhalten. Sie wurde allerdings im 19. Jahrhundert renoviert und mit einem neuen Fußboden versehen. Ansonsten erhielt man die alte Bausubstanz.



Zur Kirchgemeinde gehörte neben Herschdorf auch Allersdorf sowie Willmersdorf. Deshalb baute man für jedes Dorf eine Empore. 3 Emporen und insgesamt rund 500 Sitzplätze, verstecken sich hinter den Kirchenmauern. Nicht mehr oft in Kirchen auffindbar aber hier vorhanden ... Individuelle Namensschilder! Manche aus Holz, andere aus Porzellan. Auch die bunten Sitzkissen zeugen davon, dass man weiß, wo sein Sitzplatz ist.


Der Zahn der Zeit nagte an der Kirche und in Herschdorf tat man das, was ich auch aus dem Frankenwald kenne. Die Bürger wurden im neuen Jahrtausend aktiv und steckten viel Herzblut in das Objekt. Die Kommune unterstützte dies und so hat die Kirche nun ein schmuckes, neu beschiefertes Dach, eine restaurierte und neu bemalte Stuckdecke, Kanzel und Altar.


Dieses schlichte Reinweiß mit den Goldakzenten lässt die Kirche eine stille Eleganz ausstrahlen und die Akustik ist im Kirchenschiff interessant. Für die Renovierung der vom Brand beschädigten Orgel sammelt man immer noch Geld. Diese stammt aus der "Schulze Schule" von Paulinzella und war/ist sehr wertvoll. Diese hochwertigen Orgeln wurden bis nach Russland und Amerika geliefert! Falls ihr das Schmuckstück mal genauer ansehen wollt, könnt ihr euch beim Pfarramt Oberhain (Tel.: 036738/42627) nach Möglichkeiten erkundigen. In der Turmstraße in Herschdorf, weiß man allerdings auch, wer den Schlüssel hat und die netten Herschdorfer geben mit Sicherheit freundlich Auskunft. 

Wusstet ihr, dass Wolf Serno in seinem Buch "Der Balsamträger" (ein weiteres Wort für Buckelapotheker und Olitätenhändler) Herschdorf erwähnt? Das Buch erschien 2005.
Im Ort, der Dorfstraße, der Tischlerei Langbein und im Gut-Kauf wurde sogar 2012 ein Kinofilm gedreht. "Ricky - normal war gestern" von Jost Hering.

Dieser Wegweiser befindet sich bei der Kirche.

Damit ich nicht einfach nur den Ort abhakte, wanderte ich mit Poldi in Richtung Willmerdorf und bemerkte, dass auf dem Weg dorthin sämtliche Wanderschilder zerstört waren. Ich kam zur Brauereiruine und wurde neugierig. Was war wohl damals mit dem Brauereibetrieb geschehen? Wie lange steht es schon leer? Vor der Kirche gab es einen Gedenkplatz mit Grabsteinen aller Generationen der Brauer Schmiedeknecht. Jetzt war ich erst recht neugierig geworden. Ihr auch? Weiter über die Brauerei und dem Geheimtipp schlechthin, geht`s im Teil 2.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Vielen Dank, dass ihr eure Gedanken und Meinungen mit mir teilt!