Den meisten Menschen, denen ich in den letzten Jahren erzählte, dass ich am zweiten Wochenende im August verhindert bin, da traditionell in Großbreitenbach die Olitäten-Königin gewählt und gekrönt wird, stehen sprichwörtlich Fragezeichen im Gesicht. Was sind Olitäten? Was ist bitte schön der "Bräétmicher Kram- und Kräutermarkt"? "Bräétmicher" kommt vom dortigen Dialektausdruck für (Groß-) Breitenbacher. Nur, wo liegt Großbreitenbach? Es liegt gerade einmal 59 km südlich von Erfurt. Schaut mal bei Google:
Großbreitenbach, Standort Förderverein Olitätenwege im Thüringer Kräutergarten
Doch was hat ein Kräuterfraala mit Olitäten zu tun?
Großbreitenbach, Standort Förderverein Olitätenwege im Thüringer Kräutergarten
Doch was hat ein Kräuterfraala mit Olitäten zu tun?
Krönung der Thüringer Olitätenmajestäten im Jahr 2012. Abwechslungsreich und unterhaltsam moderiert wird das Fest von der Thüringer Landrätin Petra Enders. |
Olität stammt vom lateinischen oleitas bzw. oliditas ab. Wo sonst als in der pflanzlichen Vielfalt finden sich so wundervolle ätherische Öle, die auch noch stark heilwirksam sind? So ist das Wort im Wortstamm "Oleum" für duftendes Öl (olitum - riechen) begründet.
Stolz durften die Thüringer auch sein! Ihre Olitätenhändler brachten Wohlstand und Ansehen ins Land und sorgten dafür, dass sogar über deutsche Grenzen hinweg in ganz Europa ihre Ware bekannt wurde. Das war nicht einfach, denn sie mussten damals das schwere und unbequeme Reff (siehe Bild unten) dabei auf dem Rücken/Buckel tragen. Deshalb auch der geläufigere Name: "Buckelapotheker".
Heinz Liebermann in der Kleidung der Buckelapotheker |
Stolz durften die Thüringer auch sein! Ihre Olitätenhändler brachten Wohlstand und Ansehen ins Land und sorgten dafür, dass sogar über deutsche Grenzen hinweg in ganz Europa ihre Ware bekannt wurde. Das war nicht einfach, denn sie mussten damals das schwere und unbequeme Reff (siehe Bild unten) dabei auf dem Rücken/Buckel tragen. Deshalb auch der geläufigere Name: "Buckelapotheker".
Das Holztragegestell nennt man Reff, man kann Kisten darauf anbringen und diese mit Gurte sichern, dadurch können große Lasten getragen werden. |
Meyers Konversationslexikon erklärte 1877, dass Olitäten "alle Arten von Ölen und Essenzen und wohlriechenden Wässern ect., welche in Waldgegenden als Arzneimittel und Parfümerien fabriziert und von umherziehenden Olitätenhändlern in den Handel gebracht wurden" seien. Die Naturheilmittel waren von sehr guter Qualität! Es gab sogar ab 1711 einen Schwur auf Ehrlichkeit und Warenqualität zu leisten, um als Wanderapotheker auf Reisen gehen zu können. Vom Volk geliebt und sehnsüchtig erwartet, mussten sich die Buckelapotheker vielerlei Schwierigkeiten stellen. Nicht nur die weiten Wege, die zu Fuß zu bewältigen waren, auch die Regierung machte ihnen das Leben schwer. Sie wurden nach Gesetz aus Ortschaften verjagt und man ging dabei nicht zimperlich vor. 1841 durften Medizinwaren nicht mehr von den Olitätenhändlern vertrieben werden. So wurde auch anderer "Kram" mitgeführt um die eigentliche Ware trotzdem noch vertreiben zu können. Ab 1884 durch die Einführung der Krankenkasse und Verbesserung des Gesundheitswesens brach der Olitätenmarkt zusammen.
Heinz Liebermann im Großbreitenbacher Kräutergarten |
Dass das einstmals blühende Gewerbe nicht vollends in Vergessenheit geriet, dafür sorgte und sorgt Heinz Liebermann. Ihm liegt seine Region, ganz besonders sein Heimatort, am Herzen. 1994 gründete er mit weiteren Heimatbegeisterten den Förderverein "Olitätenwege im Thüringer Kräutergarten" e. V.. Der Verein sorgt dafür, dass jahrhundertealte Traditionen nicht in Vergessenheit geraten, schaffte es zudem die Region für Touristen interessant zu machen und haben dabei Beachtliches geleistet.
Eine handgemalte Urkunde wird alljährlich individuell angefertigt. |
Doch schon 1987 hatte er er eine Idee, die sich für Großbreitenbach im Nachhinein als Glücksgriff herausstellte. Er wollte einen Kram- und Kräutermarkt veranstalten. Dabei war es ihm wichtig, den Besuchern einerseits Wissen über das orts- bzw. regionaltypische Olitätengewerbe zu vermitteln, alte Markttraditionen aufzufrischen und gleichzeitig überregional den Blick nach Großbreitenbach zu lenken. Es gab im Stadtrat nicht von allen Seiten Zustimmung für seinen Vorschlag, dennoch, im Sommer 1990 zog man an einem Strang und das Fest fand zum ersten Mal statt. Mittlerweile ist es das größte Kräuterfest Mitteldeutschlands mit vielen verschiedenen Kräutereien, alten Handwerkskünsten, aber auch einem großen Trödelmarkt.
Was für viele vielleicht als Maskenball anmutet, ist eine besondere Auszeichnung. Eine Majestät wird man nur, nachdem man sein Wissen und Können vor Publikum unter Beweis gestellt hat. Eine Jury wertet schriftliche und praktische Ergebnisse aus und ermittelt die Majestät für die nächste Regierungszeit. Dies wird sehr groß aufgezogen. Die umliegenden sach- und fachkundigen Könige/-innen werden eingeladen und bewerben an diesem Tag ihre Region und die dazugehörige Besonderheit. Natürlich beglückwünschen sie die neuen Regenten und laden diese zu Veranstaltungen ein und so gewinnt man immer mehr Eindruck von der Vielfalt der Regionen. Das geht also weit über die Wahl einer "Dorfkönigin"/"eines "Dorfkönigs" hinaus. Seinen Titel verliert man übrigens nicht. Das macht es an diesen Tagen interessant, da man sich gezielt austauschen kann. Auf dem Olitätenmarkt gibt es noch eine Besonderheit. Normalerweise kann nur eine Majestät aus der Region gewählt werden, da sie das ganze Jahr über die Region vertritt und auf Veranstaltungen geht. In Großbreitenbach kann man auch als Nicht-Thüringer den Wettkampf mitmachen und so den Titel "Ehren-Olitätenmajestät" erlangen. Eine Auszeichnung, über die ich mich sehr freue, da die Thüringer Region und seine Menschen mir sehr am Herzen liegen. Wer mehr über die Veranstaltung wissen möchte, kann sich hier weiter informieren: Kram- und Kräutermarkt in Großbreitenbach.
Was mir in Großbreitenbach gefällt, ist die entgegenkommende Herzlichkeit, die mich gerne an diesem Ort verweilen lässt, das bunte Treiben, die vielen Attraktionen und Sehenswürdigkeiten. Menschen, die ihren Ort und seine Geschichte lieben und mit sehr viel Herzblut ehrenamtlich wirken und so ein ganz besonderes Kleinod erschufen. Wer Lust hat es selber zu erleben, kann dies am 17.August, also den kommenden Sonntag, tun.