St.-Barbara-See am Kießlich - Staatsbruch Lehesten |
Kennt ihr das "Blaue Gold"? Damit ist nicht dieser See gemeint, doch dieser See entstand durch dessen Abbau. Gemeint ist der Schiefer. Hier schrieb ich schon einmal über das Schiefergebirge und heute möchte ich euch Bilder zeigen, die bei einem Ausflug mit meinen Kindern entstanden sind.
Gesteinsformationen im Schiefergebirge |
Der Grenz-/Todesstreifen der innerdeutschen Grenze ist bekannt. Mittlerweile hat der 1393 km lange Grenzbereich einen ansprechenderen Namen erhalten: "Grünes Band Deutschland". Ein wunderschönes erhaltenswertes Schutzgebiet für seltene Tier- und Pflanzenarten ist dort entstanden. Der Rennsteig verlief schon seit dem Mittelalter an der Grenze von Thüringen und Franken und mit seinen 169 km lässt er sich wunderbar erlaufen. Auf diesem Weg befinden sich viele unbekannte Sehenswürdigkeiten.
Sehenswert ist sicherlich die kleine Schieferstadt Lehesten. Berühmt ist sie durch ihre Schieferbrüche - es waren einstmals die größten Europas.
Die Bergarbeiten in der Region gehen bis ins 13. Jahrhundert zurück. In meiner Gemeinde gab es das "Teuschnitzer Schloss". Eine der ältesten Rechnungen aus Lehesten handelt davon, dass man das Material zur Dacheindeckung 1485 aus Lehesten bezogen hat.
Spannend finde ich, dass das die Kaiserburg in Wien und der Dom zu Würzburg mit Lehestener Schiefer beliefert wurden. Das Heldburger Schloss wurde damit 1564 gedeckt und 300 Jahre später lobte Ed Amthor in seinem Buch (das industrielle und kommerzielle Deutschland) noch den Zustand des Daches und die gute Qualität des dunklen, reinen Schiefers.
Den Vorteil solcher verschieferten Häuser erkannte man schnell. Es war eine gewisse Isolierung gegeben und bei Dorfbränden schützte der Schiefer vor dem Feuer.
Nebenbei verwittert Schiefer langsam und so bleiben die schmucken Fassaden lange Zeit optisch sehr ansprechend. Den optischen Aspekt beachtete man nicht nur beim Hausbau, auch Gehwege wurden mit den glatten Platten verlegt und bis ins 20. Jahrhundert waren bei uns die Friedhöfe mit geschliffenen Schiefergrabsteinen geschmückt.
Manch einer findet diese dunklen Häuser auf den ersten Blick erdrückend, doch es lohnt sich, den Charme der Schieferhäuser zu erforschen, schmucke Details zu betrachten und auf die verschiedenen Deckformen und Verzierungsmöglichkeiten einzugehen.
Das kostbare Gut wurde anfangs aus mehreren kleinen Brüchen abgebaut. So wie jede Flur ihren Namen hat/hatte, so waren auch die Brüche benannt. Die ältesten Brüche um Lehesten nannte man "den alten Haw" (kommt von hauen/herausschlagen) und den "Unnütz", wobei sich die Frage stellt, von welcher Qualität letzterer Schiefer wohl war. Beide Brüche lagen nah beieinander (südlich vom Ort) und man sprach später nur noch vom "alten Bruch". 1792 kam Alexander von Humbold (als amtierender Berghauptmann) zu Besuch, um den "uralten Schieferbergbau" zu besichtigen. Die privaten Brüche gingen später an das Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha und an das Herzogtum Sachsen-Meiningen über. Ab 1920 gehörte er dem Staat und wurde seither Staatsbruch genannt.
Im 19. Jahrhundert ist der Höhepunkt des Schieferabbaues zu sehen. Damals waren allein im Tagebau 2500 Beschäftigte tätig. Die Region lebte von ihrem blauem Gestein und gab deshalb dem Schiefer die Bezeichnung "Blaues Gold".
Wieck (F.G. deutsche Gewerbezeitung) schreibt 1864, dass allein Lehesten und Sonneberg unter anderem jährlich 65.000 Schock Dachschiefer und 40.000 Schock Schiefertafeln (Schreibtafel für die Schule) hergestellt haben. Ein Schock entspricht 5 Dutzend oder 60 Teilen. Das bedeutet also, dass man jährlich 3.900.000 Dachschiefer und 2.400.000 Schiefertafeln hergestellt hat. Bei den Produktionsbedingungen und der Handarbeit, die keinesfalls leicht war, ein respektabler Umsatz.
Wenn man von einer Sechs-Tage-Woche ausgeht, hieße es, das man unter anderem täglich ca. 12.460 Dachschiefer und 7668 Schultafeln hergestellt hat. Auch die benötigten Griffel wurden dort angefertigt. Er berichtete von einem jährlichen Umsatz von 91 Millionen. Das wären pro Tag ca. 291.000 produzierte Griffel. Weiterhin hieß es, dass allein der Transport dieser, allein schon 100 Geschirre (Pferde & Ochsen) benötigte. Lehesten hatte zu der Zeit ca. 1.250 Einwohner.
Man muss wissen, dass die aus dem Bruch heraus geschlagenen Blöcke in den Spalthütten mit der Hand behauen wurden. Man spaltete das Gestein mit Meißeln und schlug Schicht für Schicht ca. 5 mm starke Platten ab. Diese schnitt man dann mit einer Art Schieferzange zu. Für die Schiefertafeln mussten die Platten auch noch geschliffen werden.
Der Schieferbruch umfasste später einen ca. 20 ha großen Tagebau. Ab 1973 wurde dann ausschließlich unter Tage abgebaut. 1999 schloss auch der Abbau unter Tage. Damals waren die imposanten Abraumhalden weithin zu sehen. Mittlerweile erobert die Natur diese wieder zurück.
Die Fotos oben und rechts, zeigen eine Pferdegöpel, die schon im 19. Jahrhundert betrieben wurde. Mit Hilfe von Pferden (die im Innern ihre Kreise zogen) wurden zu der Zeit die Lasten über die Schachtanlage hoch befördert. Im Schiefer-Denkmal-Lehesten könnt ihr all diese Räumlichkeiten euch vor Ort direkt ansehen und anschließend euch vor Ort in der Gaststätte verköstigen lassen.
Das Bild links habe ich von www.rathscheck.de entnommen, da es die einzige Möglichkeit war, die Anlage vor der Flutung zu zeigen. Als die Grube schloss, gründete die Vereinigte Thüringer Schiefergruben GmbH den heutigen Schieferpark Lehesten als Technisches Denkmal. Am Anfang konnte man noch das Bergwerk und seine Stollen besichtigen, doch aus Kostengründen wurde dies leider nach zwei Jahren wieder eingestellt. Aus diesem Grund schaltete man leider auch die Wasserpumpen 2006 ab.
Der Tagebau und somit viele interessante alte Stollengänge wurden geflutet. Ihr könnt dies gut an den Bildern erkennen, wie weit das Wasser schon gestiegen ist. Mittlerweile ist der Schiefersee schon ca. 10 ha groß.
Ich kann mich immer nicht satt sehen an dem herrlichen Farbspiel des Wassers. Mit sämtliche Grün- und Blautöne und an manchen Stellen ins Blaugraue übergehend, geben die Schieferseen auf der "Steinerne Heide" verschiedenste Stimmungen wieder.
Das Wasser ist glasklar und trübt sich erst in größeren Tiefen ein. Das Bäumchen hier war weit über einen Meter groß und ist ein Opfer der Flutung.
Schieferweg |
Um den großen Schiefersee "St. Barbara" führen gut begehbare Wanderwege und an vielen Stellen kann man auch einfach mal die Füße ins Wasser hängen lassen. Bei diesem Weg ist die Besonderheit, dass der Schiefer nicht gelegt wurde, sondern die spaltbare Seite nach oben ragt. Abgeschliffen durch die jahrelange Benutzung, ist ein fester Weg entstanden.
Nicht nur das ehemalige Werksgelände, das immerhin ca. 105 ha. groß ist, sondern die gesamte "Steinerne Heide" ist aufgrund seiner einzigartigen Naturkulisse einen Ausflug wert.
Die ehemaligen Produktionsgebäude kann man besichtigen. Dort wird ausführlich erklärt und beschrieben, wie man Schieferprodukte herstellte.
Sehenswert ist ein Modelldorf der noch heute existierenden Dachdeckerschule Lehesten, das insbesondere die Vielfalt der möglichen Schieferdacheindeckungen demonstriert. Eines ist sicher, Schiefer wirkt nicht langweilig!
Verschiedenste Stollenfahrzeuge und andere im Bergbau benötigte Transportmittel sind dort ausgestellt. Vor allem Kinder können kaum widerstehen und freuen sich darauf, diese zu erkunden.
Schieferbrüche und vor allem die Abraumhalden lösen bei mir Ehrfurcht aus. Die Massen an Gestein, die bewegt wurden! Letztendlich konnte nur ca. 2% des abgebauten Schiefers weiterverwendet werden und der Rest war Abfall. Um so beeindruckender, wie die Natur sich das Gebiet zurückerobert und eine ganz besondere "heideartige" Welt entsteht.
Das Gebiet des Staatsbruches steht seit 2001 unter Naturschutz, doch auch die umliegenden Schieferbrüche von Lehesten sind schützenswerte Kleinode. Die Wiesen, Felder und Wälder, sowie die reichhaltige Heckenstruktur im Grenzgebiet spiegeln ein herrlich abwechslungsreiches Landschaftsbild wieder. Im Schieferbruch selbst gibt es auf kleinstem Raum zwei kleinklimatische Extreme: Im Sommer wird das dunkle Schiefergestein über 60 Grad Celsius heiß! In den schattigen Bereichen bleibt es dagegen kühl und feucht.
Bei den Untersuchungen wurden 1.100 verschiedene Tier- und Pflanzenarten nachgewiesen! Allein 170 Arten stehen davon auf der Roten Liste. Dies ist so bedeutungsvoll, dass man die Schieferbrüche zu einem Naturschutzgebiet und einem Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Gebiet ausgezeichnet hat und sie dadurch fördert.
Ich entdecke bei jedem Spaziergang neue interessante Dinge. Dort habe ich zum ersten Mal ein Birkhuhn gesehen und wenn die Flechten anfangen zu blühen, eröffnet sich eine bezaubernde Miniaturwelt, die es wert ist, ganz nah betrachtet zu werden. Nur die Schlingnatter verschloss sich bisher erfolgreich meinen Augen.
Hier nur noch ein paar Aufnahmen. Der Post wurde wieder einmal sehr lang und ich danke euch für eure Ausdauer, wenn ihr alles bis hierhin gelesen habt. Bilder werden durch Anklicken größer!
Die Entdeckerfreude kommt nicht zu kurz, wie man hier sehen kann. Ich hoffe die Kinder bewahren sich ihre Freude an der Natur.